IMIS

Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien


Navigation und Suche der Universität Osnabrück


Hauptinhalt

Topinformationen

C2 ›Unmaking Migrants?‹ Die Produktion der EU-Binnen- und Außengrenzen und ihre Effekte in historisch-postkolonialer Perspektive

Prof. Dr. Christiane Reinecke

Christiane Reinecke, Foto: Sophie Hinger

Geschichte
Europa-Universität Flensburg
Weitere Informationen

Die Produktion der Unterscheidung zwischen europäischen Außen- und Binnengrenzen sowie der daran geknüpfte Wandel in der Kategorisierung mobiler Gruppen stehen im Mittelpunkt dieses Teilprojekts. Am Beispiel dreier Grenzräume werden lokale Praktiken der Bedeutungsproduktion und des »Doing Border« (Kasparek 2010; Wonders/Jones 2019) untersucht und die Produktion von Migration wird als ein verorteter, mit der Herstellung von Grenzen verknüpfter Prozess analysiert. Das Teilprojekt geht dabei von der leitenden Annahme aus, dass Grenzen auch in historischer Sicht einflussreiche »Sortiermaschinen« (Mau 2021) bildeten, über die Mobilitäten und Zugehörigkeiten geordnet und Mobilitätschancen hergestellt wurden. Um diese Sortierfunktion besser in ihrer Veränderlichkeit verstehen zu können, legt das Projekt einen besonderen Fokus auf die Widersprüche der De-Migrantisierung von Personengruppen, die infolge des Schengener Abkommens den Status von Binnenreisenden erhielten, sowie auf die damit verknüpften Grenzziehungen zwischen gesellschaftlichem ›Innen‹ und ›Außen‹.

Gegenüber der bisherigen, vornehmlich sozial- und politikwissenschaftlich geprägten Erforschung des EU-Grenzregimes untersucht das Projekt archivbasiert in historisch-postkolonialer Perspektive, wie europäische Staatsgrenzen an bestimmten Orten und für bestimmte Gruppen relevant gemacht oder im Gegenteil irrelevant wurden. Es beleuchtet den kontinuierlichen Umbau des europäischen Grenzregimes zwischen den 1980er und den frühen 2000er Jahren in Vorbereitung und infolge des Schengen-Abkommens und setzt ihn zu weiter zurückreichenden Herstellungen und Vorstellungen vom ›Europäischsein‹ in Beziehung.

Als Untersuchungsräume dienen drei Grenzräume: die französisch-deutsche Grenzregion Straßburg/Kehl, die mediterrane Außengrenze vor und in der Hafenstadt Marseille und die französisch-britische Grenze im und am Eurotunnel in Calais. Die Wissensbestände, Kontrollpraktiken und -infrastrukturen der französischen Grenzpolizei werden in diesen drei Grenzräumen in ihrem Zusammenspiel mit lokalen politischen und massenmedialen Aushandlungen sowie den Mobilitätsoptionen – von der Geschäftsreise bis zum Asylantrag – unterschiedlicher bzw. unterschiedlich eingeordneter Reisender analysiert. Als Ausgangspunkt dient die Frage, wie bestimmte Gruppen zu ›innereuropäischen‹ Reisenden gemacht wurden, während andere den Status von ›Nichteuropäern‹, ›Ausländern‹, ›Drittausländern‹, ›Immigranten‹, ›Asylbegehrenden‹ oder ›Illegalen‹ behielten oder auf neue Weise zugewiesen bekamen. Im Wechselspiel mit der Formierung von Grenzen historisiert das Projekt dieses Making und Unmaking von Migrant:innen sowie die damit verknüpften In- und Exklusionen.

Die Entwicklung des »borders/migration nexus« (Walters 2015) wird auf diese Weise in ihrem historischen Gewordensein reflektiert. Auch wird die an großstädtischen Räumen orientierte Ausrufung eines ›local turn‹ in der Analyse von Migrationspolitiken um eine an anderen Räumen geschulte Analyse ›des Lokalen‹ erweitert. Derart ›lokal‹-historisch gewendet, trägt die Analyse des Zusammenspiels von Grenz- und Migrationsproduktion zu einem sowohl geschichts- als auch raumbewussteren Verständnis der Aushandlung von Migration im Zeichen von Europäisierung und Globalisierung bei.